Geschichtsträchtige Kletterwand
Umbau und Sanierung „Alte Zuckerfabrik“, Wunsiedel
„Der Umbau der 1811 erbauten ehemaligen Zuckerfabrik in Oberfrankens höchste Kletterhalle ist beispielhaft für die intelligente Neunutzung eines brachgefallenen Industrieareals. Während die venezianisch-rote Bogenbrücke aus Leimholz – sie verbindet den denkmalgeschützten Altbau des „Zuckerhuts“ mit den Garagengebäuden des bestehenden Fitness-Studios – an der Außenfassade einen kräftigen Akzent setzt, dominieren im Inneren des ehemaligen Fabrikgebäudes die Logik des Wegnehmens und der Gegensatz von historischer Substanz und modernen Applikationen: Um Raum für die 16 Meter hohe Kletterwand zu schaffen, wurden die Geschossdecken entfernt und der Schub des vormaligen Sparrendachs mittels umlaufender Ringanker abgefangen. Von der Galerie auf der Höhe des 1. Obergeschosses eröffnet sich ein spektakulärer Blick in den kathedralenartigen Raum der Kletterhalle.“
Juryurteil, Auszeichnung Guter Bauten Franken 2012, Lobende Erwähnung
Die ehemalige Zuckerfabrik ist heute Teil eines ausgedehnten Komplexes, der beidseits der Röslauufer Arztpraxen, Wellness- und Reha-Bereiche, ein Fitnessstudio und eine Kletterhalle umfasst. Im bayerischen Denkmalatlas ist unter Wunsiedel zum Gebäude folgender Eintrag zu finden: „Katharinenstraße 14; Katharinenstraße 16. Ehem. Zuckerfabrik, dann Amtsgericht, viergeschossiger, zweiflügeliger Bau mit Halbwalmdächern auf den freien Seiten, 1811/12, erweitert 1828.“ Doch mit diesen dürren Worten ist die spannende Geschichte, die hinter der Entstehung des Gebäudes steckt, in keiner Weise erfasst. Bauherr war der in Wunsiedel geborene, später in Hamburg zu Erfolg, Einfluss und Wohlstand gekommene Florentin Theodor Schmidt. Während Napoleons Handelssperre gegen England schmuggelte Schmidt Rohrzucker von der britischen Insel über Helgoland und Dänemark in das damals preußische Oberfranken, um als größter Arbeitgeber der Stadt mit Hilfe der Wunsiedler den in Kontinentaleuropa knappen und entsprechend teuren Weißzucker zu sieden. Und verdiente ein Vermögen, von dem er etwas seiner Heimatstadt zurückgab: in der zweiten Ausbauphase ist Schmidt der Hauptförderer jenes bürgerlichen Landschaftsgartens, der heute „Felsenlabyrinth“ bezeichnet wird. Namen von Felsformationen wie „Insel Helgoland“, „Zuckerhut" oder „Napoleonshut“ erinnern an die Geschichte seines Schöpfers. Nach dem großen Stadtbrand 1834 verlegte Schmidt die Zuckerproduktion nach Bayreuth, das zurückgelassene Gebäude erwies sich als sehr flexibel und diente unter anderem als Amtsgericht und Lazarett. 2019 wurde die Geschichte der Wunsiedler Zuckerfabrik und ihres Erbauers von Birgit Simmler und Paul Graham Brown als Musical vertont und als Weltpremiere bei den Luisenburg-Festspielen gezeigt.
STANDORT:
Schlossweg 14
95709 Tröstau
BAUHERR:
Gemeinde Tröstau
Hauptstraße 6
95709 Tröstau
PROJEKTTEAM:
Marion Schlichtiger Landschaftsarchitektur, Wunsiedel
Kuchenreuther Architekten Stadtplaner, Marktredwitz
Architekturbu?ro Kerstin Holl, Marktredwitz
PROJEKTLEITER:
Uwe Gebhard